Schlichtungsempfehlung liegt vor – aber ein Abschluss ist das noch lange nicht!
„In dieser Gesellschaft wird sowieso zu wenig gearbeitet.“ – Diese Aussage stammt nicht von irgendwem, sondern von Roland Koch, CDU-Politiker und Vorsitzender der Schlichtungskommission auf Arbeitgeberseite. Und sie bringt die Arroganz und Ignoranz auf den Punkt, mit der die Arbeitgeber in die Schlichtung gegangen sind. Mehr arbeiten statt weniger. Mehr Druck statt Entlastung. Weniger Respekt statt echter Wertschätzung.
„Wir sind an einem schwierigen Punkt. Die Einigungsempfehlung ist ein hart errungener Kompromiss, mit dem wir einige Pflöcke einschlagen können, der aber auch an Schmerzgrenzen führt. Wir müssen diesen nun sehr ernsthaft diskutieren und abwägen, ob das noch akzeptabel ist. Und wenn nicht, welche nächsten Schritte erforderlich sind.“
Eine Schlichtung, die fassungslos macht
Nach dem Abbruch der dritten Verhandlungsrunde durch die Arbeitgeber wurde die Schlichtung eingeleitet. Schon der Start dieser Phase war ein klares Signal: Von ernsthaften Zugeständnissen keine Spur. Die Arbeitgeber hatten offensichtlich nie ein Interesse an echter Verhandlung. Besonders deutlich wurde das durch die Haltung von Roland Koch, der gleich zu Beginn klarstellte, was er nicht unterschreiben würde. Dialog auf Augenhöhe? Fehlanzeige.
Ideologie statt Realitätssinn
Von Anfang an herrschte auf Arbeitgeberseite ideologisches Denken statt pragmatischer Problemlösungswille. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung wurde brüsk als „nicht zeitgemäß“ abgewatscht. In einer Gesellschaft, in der „zu wenig gearbeitet“ werde, dürfe man über Entlastung gar nicht erst reden. Und dass der öffentliche Dienst einen besseren Abschluss als die Privatwirtschaft erhalten könnte, sei – sinngemäß – unverschämt. Die implizite Botschaft: Beschäftigte im öffentlichen Dienst sollen gefälligst dankbar sein, dass sie überhaupt arbeiten dürfen.
Kleingeld fürs Fußvolk
Nach zähen, frustrierenden Tagen entstand eine Einigungsempfehlung. Kein Ergebnis – eine Grundlage für die vierte Verhandlungsrunde. Doch schon die Eckpunkte zeigen: Es ist zu wenig.
📆 Laufzeit:
27 Monate – also fast zweieinhalb Jahre Stillstand. Zu lang, zu wenig Flexibilität, zu viel Risiko.
💰 Tabellenwirksame Erhöhungen:
- Ab 1. April 2025: 3 % mehr Gehalt, mindestens 110 €
- Ab 1. Mai 2026: Weitere 2,8 %
- Für Auszubildende & Dualstudierende: je +75 € ab 04/2025 und 05/2026
Erstmals vorgesehen: 3 % ab April 2025, mindestens 110 €. Klingt besser – kommt aber viel zu spät. Die Preissteigerungen der letzten Jahre bleiben damit weitgehend unberücksichtigt.
🧒 Nachwuchs:
- Immerhin: Bei mind. Note 3 gibt es eine unbefristete Übernahme.
- Verbesserungen bei Verpflegungskosten & Familienheimfahrten
- Dualstudierende? Weiterhin keine Tarifbindung – mit dem schwachen Versprechen, sich künftig politisch dafür einzusetzen.
Wenig Entgegenkommen bei Zuschlägen
Trotz eines umfangreichen Forderungspakets für bessere Zuschläge in belastenden Arbeitszeiten kam von den Arbeitgebern fast nichts. Nur bei zwei konkreten Punkten gab es überhaupt Bewegung:
- Schichtzulage: steigt ab 1. Juli 2025 von 40 € auf 100 €
- Wechselschichtzulage:
- von 105 € auf 200 €
- in Bereichen, wo bisher 150 € gezahlt wurden (z. B. viele Krankenhäuser): künftig 250 €
Positiv: Beide Zulagen sollen ab dem 1. Januar 2027 dynamisiert werden – das heißt: automatische Anpassung an zukünftige Tariferhöhungen, statt wie bisher über Jahrzehnte eingefroren zu bleiben.
Aber: Der Rest des Forderungspakets wurde komplett ignoriert:
- Zulagen für Nachtarbeit? Kein Cent mehr.
- Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit? Unverändert.
- Vertreter*innenzulage? Kein Entgegenkommen.
- Teilzeit-Überstunden? Nach wie vor keine tarifliche Regelung – trotz klarer EuGH-Rechtsprechung.
Die Arbeitgeberseite blockt mit der immer gleichen Antwort: „Wenn ihr mehr Zuschläge wollt, müsst ihr auf Gehalt verzichten.“ Eine eiskalte Rechnung – besonders für die Kolleg*innen, die regelmäßig zu Randzeiten oder an Wochenenden arbeiten und davon leben müssen.
Arbeitszeit: Mehr Belastung statt Entlastung
Die Forderung nach kürzerer Arbeitszeit und echter Entlastung wurde vollständig abgeblockt. Stattdessen: Eine „freiwillige“ Erhöhung auf 42 Stunden pro Woche.
- Maximal 18 Monate
- Zuschläge ja, aber kein wirklicher Ausgleich
- Doppelte Freiwilligkeit (Arbeitgeber und Beschäftigte) – doch in einem unterbesetzten System ist Freiwilligkeit ein leeres Versprechen
2027 einen Tag mehr Urlaub – ein Fortschritt, aber kein echter Ausgleich für die täglichen Mehrbelastungen.
Wahlmodell: Wer hat, dem wird gegeben
Die Jahressonderzahlung (also das sogenannte Weihnachtsgeld) soll künftig erhöht werden – allerdings sehr unterschiedlich:
- Bei der VKA (Kommunen): einheitlich 85 % des Monatsentgelts – für alle Entgeltgruppen, ein echter Fortschritt z. B. für viele im Sozial- und Erziehungsdienst.
- Beim Bund: gestaffelt nach Entgeltgruppen –
- EG 1–8: künftig 95 %
- EG 9a–12: 90 %
- EG 13 und höher: 75 %, aber erst ab 2026
Neu ist: Ein Teil dieser Jahressonderzahlung kann auf Wunsch in bis zu drei freie Tage pro Jahr umgewandelt werden – das sogenannte Wahlmodell.
Das Problem? Wer bislang z. B. nur 60 % bekam, profitiert doppelt: mehr Geld und die Möglichkeit, sich zusätzliche freie Tage „herauszukaufen“. Wer aber schon vorher 90 % bekam – oft Kolleg*innen in den unteren Entgeltgruppen im kommunalen Bereich – muss für dieselben drei freien Tage einen deutlich höheren Anteil der eigenen Sonderzahlung opfern.
Die Folge: Wer weniger hatte, bekommt mehr. Wer ohnehin wenig hatte, zahlt drauf. Ein sozial unausgewogenes Modell, das am Reißbrett gut aussieht – in der Praxis aber Ungleichheit verschärfen kann.
Und die Pflege? Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind vollständig ausgeschlossen. Begründung: Personalmangel. Dass genau dort die Entlastung am dringendsten wäre, scheint irrelevant.
Kündigungsschutz? Aber bitte nicht für den Osten.
Beschäftigte in Ostdeutschland sollen weiterhin schlechteren Kündigungsschutz haben als Kolleg*innen im Westen. Das ist die Position der kommunalen Arbeitgeberverbände. Der Bund lenkte immerhin ein. Die VKA hingegen bleibt stur – und offenbart damit ein Gerechtigkeitsverständnis aus dem letzten Jahrhundert.
Und jetzt?
Am 5. April wird weiterverhandelt. Noch ist nichts entschieden.
Die Einigungsempfehlung ist nicht bindend – weder für uns, noch für die Arbeitgeber. Und sollte es keine Einigung geben, ist eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik möglich. Nur ver.di-Mitglieder entscheiden mit – jetzt Mitglied werden!
Diese Einigungsempfehlung ist ein Minimalkompromiss. Kein echter Fortschritt bei der Entlastung. Keine soziale Gerechtigkeit. Kein modernes Verständnis von Arbeit. Keine Ost-West-Angleichung.
Wenn das die Vorstellung der Arbeitgeber von Wertschätzung ist – dann geben wir ihnen unsere Antwort: Laut. Klar. Und notfalls mit Streik.
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