Früher galten Gewerkschaften in der Wirtschaftswissenschaft als Störenfriede, die das Funktionieren des Marktes beeinträchtigten. Doch diese Ansicht hat sich im Laufe der Zeit geändert. Mittlerweile ist sich die Mehrheit der Experten einig, dass Gewerkschaften höhere Löhne und weniger Ungleichheit bringen. Früher wurde oft argumentiert, dass höhere Löhne zu mehr Arbeitslosigkeit führen würden, aber die empirischen Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass dies nur selten der Fall ist und in einigen Fällen sogar zu weniger Arbeitslosigkeit führen kann.
Quelle:
WOZ – Was bringen Gewerkschaften?
Monopole statt Wettbewerb
Die Forschung hat gezeigt, dass Unternehmen oft über eine Monopolmacht verfügen, dank derer sie die Löhne unter den geltenden Marktpreis drücken können. Dies bedeutet, dass es keinen perfekten Wettbewerb gibt. Arbeitskräfte können oft nicht einfach die Stelle wechseln, weil die Suche Zeit und Geld kostet und sie auf flexible Arbeitszeiten und kurze Pendelwege angewiesen sind, was die Auswahl einschränkt. Gewerkschaften können der Monopolmacht von Firmen eine eigene Verhandlungsmacht entgegensetzen und so höhere Löhne durchsetzen. Die so erreichten höheren Löhne verleiten die Firmen laut den vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) diskutierten Studien nicht dazu, Leute zu entlassen. Stattdessen verzichten sie auf Gewinne oder erhöhen die Preise ihrer Güter.
Die Erkenntnisse zeigen sich auch in Studien zu einzelnen Ländern. Starke Gewerkschaften haben nicht oder kaum mehr Arbeitslosigkeit zur Folge, und Gesamtarbeitsverträge (GAV) führen zu mehr Beschäftigung. Eine länderübergreifende Studie der OECD von 2019 kommt sogar zum Schluss, dass GAVs die Arbeitslosigkeit um zwei Prozentpunkte senken. Heute ist kaum umstritten, dass die Kämpfe der Gewerkschaften und die Existenz von Gesamtarbeitsverträgen zu höheren Löhnen führen. Dadurch profitieren vor allem Beschäftigte mit tiefem Einkommen, was wiederum zu einer Verringerung der Ungleichheit führt. Zudem tragen Gewerkschaften und GAVs dazu bei, die Lohnschere zwischen den Geschlechtern zu verringern. Eine US-Studie zeigt, dass die Auflösung von GAVs an Schulen in Wisconsin dazu führte, dass Lehrerinnen bereits nach zwei Jahren weniger verdienten als ihre Kollegen.
Insgesamt zeigen die neuen Erkenntnisse, dass Gewerkschaften ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Arbeitsmarktes sind. Sie setzen sich für höhere Löhne, mehr Beschäftigung und weniger Ungleichheit ein. Die Forschung hat alte Glaubenssätze widerlegt und die Bedeutung von Gewerkschaften gestärkt.
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